Bundesgerichtshof: Haftung: Rückwärts in der Einbahnstraße
Eine Einbahnstraße darf nur in vorgeschriebener Fahrtrichtung befahren werden. Verboten ist auch das Rückwärtsfahren entgegen der vorgeschriebenen Fahrtrichtung. Lediglich (unmittelbares) Rückwärtseinparken („Rangieren“) ist – ebenso wie Rückwärtseinfahren aus einem Grundstück auf die Straße – kein unzulässiges Rückwärtsfahren auf Richtungsfahrbahnen gegen die Fahrtrichtung. So stellte es der BGH jetzt fest.
Demgegenüber ist Rückwärtsfahren auch unzulässig, wenn es dazu dient, erst zu einer (freien oder freiwerdenden) Parklücke zu gelangen. Entsprechendes gilt, wenn das Rückwärtsfahren dazu dient, einem Fahrzeug die Ausfahrt aus einer Parklücke zu ermöglichen, um anschließend selbst in diese einfahren zu können.
Der Unfall ereignete sich, als der eine Verkehrsteilnehmer rückwärts aus einer Grundstücksausfahrt in die Einbahnstraße einfuhr, während der andere unzulässig die Einbahnstraße rückwärts befuhr. Der Anscheinsbeweis, dass der, der rückwärts aus einer Grundstücksausfahrt fährt, seinen Sorgfaltspflichten nicht genügt habe, wenn es dabei zu einer Kollision kommt, ist nicht anzuwenden. Denn das verbotene Rückwärtsfahren des Unfallgegners hebt das „typische Geschehen“ auf, das für die Anwendung eines Anscheinsbeweis nötig ist. Der Ausfahrt-Ausfahrer muss grundsätzlich nicht mit einem verbotswidrig die Einbahnstraße rückwärts befahrenden Verkehrsteilnehmer rechnen.
(BGH, Urteil vom 10.10.2023, VI ZR 287/22)
Wibke Dalhaus
Fachanwältin für Verkehrsrecht
Fachanwältin für Arbeitsrecht
in der Kanzlei ASH Rechtsanwälte Steuerberater, Lübbecke