Erbrecht

Dr. Julian Rahe

Auch auf einem Kneipenblock einer Brauerei kann ein wirksames Testament errichtet werd

Auch die Verwendung von ungewöhnlichen Zetteln, wie einem Kneipenblock, spricht nicht gegen einen Testierwillen. Dabei genügt auch der Satz „… bekommt alles“.

Was war geschehen?

Der Erblasser führte seit 1994 als Eigentümer ein Lokal. Seine Freundin, von der er das Lokal 1994 erworben hatte, war ebenfalls in diesem Lokal tätig. Der Erblasser und seine Freundin haben nicht geheiratet.

Im Jahr 2022 verstarb der Erblasser. Seine Freundin legte daraufhin in der Folgezeit einen Notizzettel einer Brauerei vor, auf dem grundsätzlich Bestellungen in dem Lokal notiert werden. Auf diesem Zettel hieß es „BB kriegt alles“. Dieser Satz ist vom Erblasser noch datiert und unterschrieben worden. Den Zettel hatte die Freundin im Gastraum hinter der Theke gefunden. Dort verwahrte der Erblasser auch seine „Deckel“, also nicht bezahlte Rechnungen.

BB ist der Spitzname der Freundin des Erblassers. Der Erblasser hat sie zu Lebzeiten immer so genannt. Eine andere Person mit diesem Namen ist nicht bekannt.

Aus diesen Gründen beantragte die Freundin mit diesem Zettel die Erteilung eines Erbscheins, der sie als Alleinerbin ausweisen sollte. Gesetzliche Erben wären die Kinder der verstorbenen Schwester des Erblassers.

Amtsgericht lehnt Erbschein ab

Das Amtsgericht sah die Kinder der verstorbenen Schwester als Erbin an. Als Begründung führte es aus, dass der Zettel kein wirksames Testament darstelle, da ein Testierwille nicht feststellbar sei. Auch sei die Bezeichnung „BB“ nicht hinreichend konkret, so dass nicht festgestellt werden könne, ob wirklich die Freundin gemeint gewesen sei.

Beschwerde der Freundin hat Erfolg

Das OLG Oldenburg sah die Sache anders. Nach seiner Ansicht ist die Freundin Alleinerbin des Erblassers geworden.

Der Erblasser hat auf dem Kneipenblock ein wirksames Testament errichtet. Zunächst stellte das Gericht fest, dass das Testament vom Erblasser stammte. Hierzu verglich es die Schrift auf dem Zettel mit anderen Schriftproben des Erblassers. Darüber hinaus wurde berücksichtigt, dass das Testament in einem Bereich hinter dem Tresen im Schrankraum gefunden wurde, an dem der Erblasser generell für ihn wichtige Unterlagen aufbewahrte.

Dafür, dass es sich um ein wirksames Testament handelt, wurde angeführt, dass der Text auf dem Zettel die Mindestanforderungen eines Testaments enthielt, ohne jedoch übliche Formulierungen wie „Testament“ oder ähnliches zu nutzen. Als Mindestvoraussetzungen werden nach § 2247 Abs. 1 BGB lediglich die eigenhändige Abfassung und die Unterschrift verlangt. Nicht zwingend erforderlich, aber erwünscht, ist die Unterschrift mit Vor- und Nachnamen sowie eine Datierung. Dies ist auf dem Zettel ebenfalls enthalten.

Die Bezeichnung der Freundin nur mit den Spitznamen war ebenfalls ausreichend. Da der Erblasser seine Freundin immer nur so nannte und keine weitere Person mit diesem Namen bekannt war, genügt die Bezeichnung, um deutlich zu machen, wer Erbin werden soll.

Dass das Testament auf einem Kneipenblock verfasst wurde, führt ebenfalls nicht zur Unwirksamkeit. Ein Schriftstück, welches die formalen Voraussetzungen eines Testaments erfüllt, kann immer dann als letztwillige Verfügung gelten, wenn es auf einem ernsten Testierwillen des Erblassers beruht. Es muss somit außer Zweifel stehen, dass der Testierende, die von ihm erstellte Urkunde als rechtsverbindlich angesehen hat oder zumindest das Bewusstsein hatte, dass die Urkunde als Testament angesehen werden könnte. Ob dies der Fall ist, ist gegebenenfalls durch Auslegung zu ermitteln. Dabei sind strengere Anforderungen an den Nachweis des Testierwillens zu stellen, wenn die Form des Schriftstücks nicht den üblichen Gepflogenheiten für Testamente entspricht oder das Original nicht sorgfältig aufbewahrt wird.

Lediglich daraus, dass eine ungewöhnliche Schreibunterlage, wie ein Kneipenblock oder Briefumschlag genutzt wird, lässt nicht zwingend den Schluss zu, dass es sich lediglich um einen Entwurf handelt oder dass es nicht als verbindlich angesehen wurde.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kam das OLG zu dem Ergebnis, dass die Zeilen auf dem Kneipenblock ein wirksames Testament darstellen. Bereits zuvor hatte der Erblasser gegenüber Zeugen kundgetan, dass seine Freundin alles erhalten solle. Darüber hinaus sprechen weder die Verwendung des Kneipenblocks noch die Ablage hinter dem Tresen gegen die Annahme des Testierwillens. Insgesamt legte der Erblasser wenig Wert auf Schriftwechsel oder ähnliches. Für ihn wichtige Schriftstücke, wie beispielsweise offene „Deckel“, legte er darüber hinaus alle hinter der Theke ab.

Bedeutung der Entscheidung

Die Entscheidung des OLG Oldenburg zeigt, dass es nicht auf die für ein Testament genutzte Unterlage ankommt. Es ist unerheblich, ob ein Testament auf einem Notizzettel, einem Briefumschlag oder einem Kneipenblock errichtet wird, solange Nachweise dafür vorliegen, dass es sich wirklich um ein Testament handeln sollte. Sofern der Testierwille nachgewiesen ist, sind somit auch der Form nach ungewöhnliche Testamente rechtswirksam.

Die Entscheidung des OLG Oldenburg bestätigt dabei die Linie der Rechtsprechung. Schon im Jahr 2020 hat das AG Köln entschieden, dass ein eigenhändiges Testament auch mit dickem Filzstift auf eine Tischplatte geschrieben werden kann, da der Stoff des Testaments (Holz, Glas, Schiefertafeln, Kohlepapier oder anderes) unerheblich ist. Im Fall des AG Köln war das Testament allerdings unter anderem deswegen unwirksam, weil weder auf der Tischplatte noch auf den übrigen Teilen des Tisches, bspw. den Tischbeinen, eine Unterschrift vorhanden war.

(OLG Oldenburg (Oldenburg), Beschluss vom 20. Dezember 2023 – 3 W 96/23 – juris; AG Köln, Beschluss vom 25.05.2020 – 30 VI 92/20 – juris.)

Dr. Julian Rahe
Rechtsanwalt
in der Kanzlei ASH Rechtsanwälte Steuerberater, Lübbecke